Der schlechtere Journalismus
Hin und wieder besuche ich Spiegel Online. Um schnell die zwei, drei wichtigsten Schlagzeilen des Tages zu sehen, ist das auch eine durchaus brauchbare Anlaufstelle. Vom Inhalt der Artikel sollte man sich jedoch nicht zu viel versprechen. Zwar traue ich es mir nicht zu, die Richtigkeit von Wirtschafts- oder Politikberichten aus dem Stand zu bewerten, aber bei Computer- oder Internetthemen bin ich firm genug, einen guten von einem schlechten Artikel zu unterscheiden. Am Beispiel des Artikels Das bessere iPhone
möchte ich hier niederschreiben, was auch einem durchschnittlichen Leser auffallen sollte.
Der Artikel nennt mit dem Titel „Das bessere iPhone - Google-Handy T-Mobile G1“ schon die Leitthese des Artikels, würde man meinen: Das ach so gehypte iPhone ist gut, aber das Google-Handy T-Mobile G1 ist besser. Weit gefehlt. Schon in der Einleitung rudert der Autor zurück: und stellte fest, dass es das meiste genauso gut kann wie das iPhone
. Das „bessere iPhone“ kann also nur das meiste, nicht alles, genauso gut wie das iPhone. Immerhin, es könne manches einfach besser
. Wohlan, sicher wird der Artikel alles aufzählen, was das Google-Handy T-Mobile G1 (der Name ist sicher nicht besser) alles Tolles kann.
Zunächst wendet sich der Text den Äußerlichkeiten (Ist das nicht eine der Stärken des iPhones?) zu: Ein wenig macht es den Eindruck, als hätten die Ingenieure […] die besten Eigenschaften diverser Handys zusammengeworfen
. Davon träumen Entwickler: Ihre Produkte sollen aussehen, als hätte sie die besten Eigenschaften diverser Produkte zusammengeworfen. Vielleicht nur ein kleiner Ausrutscher, gemeint ist hoffentlich, dass das T-Mobile G1 die besten Eigenschaften diverser Handys vereint.
Untermauert wird die Aussage mit der Qualität des Touchscreens, denn daran gäbe es wenig zu meckern
. Soweit ich weiß, ist das ein wenig mehr Gemeckere, als beim iPhone. Immerhin kann man die Fläche durch virtuelle Bildschirme verbreitern, eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Touchscreen-Handys
, so besonders, dass man die selbe Idee auch beim Palm Pre wiederfinden wird - und [man die Idee] auch von Apples iPhone schon kennt
. So etwas besonderes aber auch! Alle haben es!
Im Gegensatz zum iPhone hat das T-Mobile G1 eine eingebaute Tastatur, dessen Tasten zwar recht klein und flach sind
, mit denen man laut Spiegel Online jedoch erstaunlich gut Texte tippen
kann. Nur für manchen ein Vorteil der iPhone-Konkurrenz, denn nur Wer mit der Bildschirmtastatur des iPhone nicht klar kommt, findet hier die Erlösung
. Der Rest findet eben eine Tastatur.
Unter der Überschrift Wer Google nicht traut, der hat verloren
geht es dann zunächst um die hochwertig wirkenden Materialien (ob sie es sind, bleibt dahingestellt) des Handys, um den Trackball, der so funktioniert, wie am Blackberry und darum, dass der Schiebemechanismus den Bildschirm fast geräuschlos
nach oben schieben kann. Das hat zwar alles nichts mit Vertrauen in Google zu tun, aber bei Spiegel Online muss an dieser Stelle eben immer eine Zwischenüberschrift stehen.
Nach vier kurzen Infoboxen geht es zwar immer noch nicht um das benötige Vertrauen zu Google, aber dafür wird man richtig verwirrt: Für den Anschluss an einen PC ist der USB-Port dagegen nicht vorgesehen.
Beim ersten Lesen dachte ich, ich hätte etwas übersehen. Welcher USB-Port? Und wozu ist der gut, wenn nicht dazu, das Handy an einen Rechner anzuschließen? Ich hoffe fast, das Handy hat gar keinen USB-Port, denn darüber einen Drucker anzuschließen, nur um aufgenommene Fotos direkt auszudrucken, fände ich sehr eigenartig.
Endlich geht es um das Vertrauen in Google: Weil man den vermutlich nicht existenten USB-Port nicht für PCs verwenden kann, muss man seine privaten Adress- und Kalenderdaten über Google synchronisieren. Wer dem Internet-Konzern nicht traut, hat verloren.
Wahrlich, ein unglaublicher Vorteil gegenüber dem Apple-Handy! Schließlich gilt: Diese Art der Online-Synchronisation hat natürlich Vorteile.
Genauer gesagt einen Vorteil: Alle Geräte, die ihre Daten mit den Google-Servern synchronisieren, sind stets auf demselben Stand.
Dieser Satz lässt sich vortrefflich im nächsten iPhone- oder Palm-Pre-Test recyclen: Einfach „Google“ durch den jeweiligen Anbieter ersetzen. Sowas spart dem Autor viel Zeit!
Übrigens, der große Vorteil ist dummerweise doch einer der großen Nachteile des G1
. Um immer synchron zu bleiben, muss das Handy immer online sein. Zum Glück ist der Vorteil abschaltbar
. Sieht man mal von den Berichten ab, laut denen das Abschalten nicht funktioniert. Solange man die Funktion nutzt ist sie aber toll. Sagt der Test. E-Mails landen nämlich sekundenschnell auf dem Bildschirm
. Das gibt es sonst nirgends. Deshalb bekommt man dabei das echte Blackberry-Feeling
. Wer kein Google-Mail benutzt, kann immerhin auf den normalen Abruf von Mails zurückgreifen, allerdings muss man hier mit kleinen Problemen rechnen, es gab immer wieder Verbindungsfehler
. Viel besser als beim iPhone!
Der zweite Teil des Test beginnt mit der etwas verwirrenden Aussage, dass die Bedienung des T-Mobile G1 ebenfalls nicht ohne Reibung, dafür erfreulich einfach funktioniert
. Gemeint ist die Reibung, die dem Finger auf dem Display entgegengesetzt wird. Sehr witzig. Oder meint er doch die Bedienung ansich? Letzteres könnte man meinen, denn der Bildschirm reagiert nur fast immer ohne spürbare Verzögerung
, es macht fast so viel Spaß
wie am iPhone. Nicht ganz, aber fast. Zusammen mit Trackball und Tastatur könne man viele Aufgaben schneller erledigen, auch schneller als mit dem iPhone
. Zählt es noch als Vorteil, wenn die Zeit zwar schneller vergeht, sie einem aber länger vorkommt?
Am Autor nicht vorbeigegangen ist der Software-Laden von Google, dessen Inhalt qualitativ erstaunlich gut
, aber schon jetzt unübersichtlich groß
ist. Immerhin hat er mindestens zwei Programme gefunden, die ihm scheinbar gefallen haben. Leider verbrauchen Programme viel Energie, so dass Akkus schnell leer werden. Anders als beim „besseren iPhone“, gibt es bei dem von Apple schon ein Update, das teilweise abhelfen
könne. Hier hofft man bei Spiegel Online aber bald auf klare Vorteile bei Google, denn das Handy aktualisiert sich automatisch, während man beim iPhone die Firmware manuell und per Software-Download aktualisieren muss
. Abgesehen davon, dass einen iTunes automatisch informiert, wenn es ein Update gibt und man dann nur noch einen Knopf drücken muss, bin ich gespannt, was passiert, wenn ein automatisches Update einmal einen Fehler enthält. Dann sind plötzlich wieder alle froh, wenn sie die Automatik ausschalten und auf einen späteren Zeitpunkt warten können.
Zusammenfassend bietet das eine Handy E-Mail und Internet zum Mitnehmen
, das andere ist darauf ausgelegt, ständig Verbindung zum Datennetz zu halten
. Welches Handy was davon leistet, kann jeder selbst bei Spiegel Online oder auf einer kompetenten Seite lesen.
Ich habe weder iPhone noch T-Mobile G1 und kann deshalb nicht entscheiden, welches der beiden das bessere Gerät wäre. Wenn mir aber jemand erzählen will, dass A besser ist als B, nur um sofort danach zu sagen, dass A es nur fast so gut macht, wie B, dann werde ich skeptisch. Dann frage ich mich, ob dieser jemand wirklich weiß, wovon er spricht. Geht selbst auf Spiegel Online, lest etwas aus Eurem Fachgebiet und rechnet dann hoch, welche Qualität die restlichen Artikel haben. Nehme ich IT-Artikel als Ausgangspunkt, dann spricht das Bände. Bände leerer Blätter.